Gesamtstrategie Blutversorgung angesichts vCJK
Bericht der Arbeitsgruppe
Arbeitskreis Blut
1) Auf die Bitte des Bundesministeriums für Gesundheit mit Schreiben vom 26.01.2001 war eine Arbeitsgruppe zusammengerufen worden, der neben Mitarbeitern des Paul-Ehrlich-Instituts, des Robert Koch-Instituts und des Bundesministeriums für Gesundheit externe Experten angehörten. Der von dieser Arbeitsgruppe zusammengestellte Text wurde nach Diskussion im Arbeitskreis Blut am 17.08.2001 dem Bundesministerium für Gesundheit übergeben und veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe wurde 2004 in leicht veränderter Zusammensetzung (s. Anlage B) erneut tätig, um die neuen Entwicklungen zu bewerten und die hiermit vorgelegte Aktualisierung zu dem o. g. Bericht zu erarbeiten. 2) Derzeit bekannt sind 158 vCJK-Fälle im Vereinigten Königreich (VK; Stand 04.11.2005), sowie je ein Fall in Irland, Kanada und USA bei Patienten, die lange im VK lebten. Ein Zusammenhang mit Aufenthalten im VK ist fraglich bei einem Fall in Japan und besteht offenbar nicht bei 15 Fällen in Frankreich (Stand 02.11.2005), sowie je einem Fall in Italien, Irland, den Niederlanden, Portugal und Spanien, sowie einem Verdachtsfall in Saudi Arabien. Es ist weiterhin nicht auszuschließen, dass vCJK auch in weiteren Ländern diagnostiziert werden wird. 3) Neue Modellrechnungen (Clarke und Ghani, 2005) ergeben im Vergleich zu vorher publizierten Daten niedrigere Schätzwerte für die Gesamtzahl klinischer vCJK-Fälle im VK, allerdings noch mit erheblichen Konfidenzintervallen. In Deutschland ist bisher kein Fall von vCJK aufgetreten. Auf der Basis neuer Abschätzungen kann die im vorausgegangenen Bericht vom 17.08.2001 unter "worst case"-Szenarien für Deutschland angegebene Zahl von bis zu 600 vCJKErkrankungsfällen als zu pessimistische Einschätzung angesehen werden. 4) Seit dem Jahr 2004 wurden im VK drei Fallberichte publiziert, die als Beleg für die grundsätzliche Übertragbarkeit des vCJK-Agens durch Blut angesehen werden müssen. Die Patienten hatten Bluttransfusionen (nicht Plasmaderivate) erhalten, die von Spendern stammten, die später vCJK entwickelten. Während zwei der beschriebenen Empfänger selbst an vCJK erkrankten, verstarb einer der Empfänger an einer anderen Erkrankung. Man fand autoptisch aber bei ihm das vCJK-Agens in Milz und Lymphknoten, so dass hier eine subklinische bzw. noch nicht symptomatisch gewordene Infektion vorlag. Eine weitere Besonderheit war, dass dieser Patient im Gegensatz zu allen bisher beobachteten vCJKFällen im Codon 129 heterozygot M/V war. 5) Diese Beobachtung sowie die Ergebnisse einer Reihenuntersuchung von Tonsillengewebe im VK könnten darauf hindeuten, dass es eine erhebliche Zahl von mit dem Erreger infizierten Personen gibt, die die Erkrankung vCJK nicht oder nur verzögert ausbilden. Nach dem derzeitigen Wissensstand ist nicht abzuschätzen, ob und ggf. wann im Zeitverlauf und in welchem Ausmaß Infektiosität im Blut solcher Personen vorhanden ist. Es sollte aber sicherheitshalber vorläufig die worst case Annahme einer Infektiosität zu Grunde gelegt werden. Die im Bericht enthaltene Modellrechnung (s. Anlage (F)) berücksichtigt diese Überlegungen. Dies bedeutet, dass Entscheidungen über Maßnahmen nicht ausschließlich an dem sichtbar gewordenen und daraufhin prognostizierten Verlauf der Zahl von vCJK-Erkrankungen ausgerichtet werden sollten. 6) Eine Übertragbarkeit durch Blut war in dem vorausgegangenen Bericht vom 17.08.2001 bereits aufgrund der damaligen Datenlage unterstellt worden, so dass die unter 4. beschriebenen Fallberichte nicht unerwartet kamen und keine grundsätzlich neue Situation geschaffen haben. Es sind vorausschauend vorbeugende Maßnahmen zur Minimierung des Risikos ergriffen worden. 7) Eine Grundannahme für diesen Bericht war, dass Neuinfektionen aus der Nahrungskette inzwischen wirksam unterbunden sind. Um eine hypothetische Kette der Weiterverbreitung und eventuellen Perpetuierung von vCJK über Blutprodukte zu blockieren, wurde als weitere Maßnahme ein Ausschluss von Transfusionsempfängern von der Blutspende erwogen. Ein solcher Ausschluss wurde in einigen anderen Ländern (VK, Niederlande, Schweiz, Frankreich – dort allerdings bereits im Jahr 1998 unter dem Eindruck von Virusübertragungen) eingeführt. Eine in diesem Bericht beschriebene Modellrechnung unter Zugrundelegung pessimistischer Annahmen zeigt aber, dass bei Berücksichtigung demographischer Strukturen ein Ausschluss von Transfusionsempfängern den epidemiologischen Verlauf nicht wesentlich verändern würde und selbst ein Effekt im Sinne der Verhinderung von Einzelfällen allenfalls minimal wäre. Da andererseits durch Ausfall einer signifikanten Zahl von Blutspendern negative Auswirkungen auf die Blutversorgung zu erwarten wären und große Anstrengungen zur Motivation neuer Spender erforderlich würden, wird die Einführung eines solchen Ausschlusses nicht befürwortet. 8) Der sekundäre Übertragungsweg durch Blut wäre weitgehend zu unterbinden, sobald ein geeigneter Screeningtest zur Verfügung stünde. Gegenwärtig ist kein solcher Test verfügbar oder absehbar. Die Förderung der Entwicklung geeigneter Testverfahren sollte daher weiterhin hohe Priorität genießen. 9) Die Möglichkeit einer Übertragung des vCJK-Erregers über Plasmaprodukte kann nach wie vor nicht völlig ausgeschlossen werden, erscheint aber unwahrscheinlich, da in verschiedenen experimentellen Systemen gezeigt werden konnte, dass Prionen während der Herstellung dieser Blutprodukte weitgehend entfernt werden. Die Untersuchung der Wirksamkeit dieser Schritte sollte allerdings produktbezogen weitergeführt werden. Hierfür wurde von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA im Oktober 2004 ein Leitfaden veröffentlicht (vergl. Anlage (H)).
Dateien zu dieser Publikation
Keine Lizenzangabe