Soziale Unterschiede bei den Notarztdiagnosen Herzinfarkt und Schlaganfall
Eine sozialräumliche Analyse in einer deutschen Großstadt
Hanefeld, Christoph
Haschemi, Alexander
Lampert, Thomas
Trampisch, Hans J.
Mügge, Andreas
Miebach, Janine
Kloppe, Cordula
Klaaßen-Mielke, Renate
Hintergrund: Dass Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status ein höheres Krankheitsrisiko haben, trifft gerade mit Blick auf schwerwiegende und chronische Erkrankungen zu. Hinsichtlich akuter notfallmedizinischer Erkrankungen liegen aktuelle Studien mit größerer Fallzahl nicht vor. Methode: Im Rahmen der retrospektiven Studie wurden alle Notarzteinsätze der Stadt Bochum sowie die notärztlichen Diagnosen (2014/2015) erfasst (16 767 Einsätze). Als Indikator für die sozioökonomische Situation eines Ortsteils wurde die Arbeitslosenquote (Anteil der registrierten Arbeitslosen an der Bevölkerung am Hauptwohnsitz im Alter von 15 bis unter 65 Jahren) verwendet. 12 168 Einsätze wurden schließlich nach notärztlichen Diagnosen gruppiert und für die drei am stärksten besetzten Obergruppen (kardiovaskuläre, neurologische und pulmologische Notfälle), auf die annähernd zwei Drittel aller Diagnosen entfallen, krankheitsbezogen ausgewertet. Ergebnisse: Die notärztlichen Gesamteinsatzraten nehmen mit steigender Arbeitslosenquote zu. Nach Adjustierung für die potenziell zur Effektvermengung führenden Variablen (Confounder) Alter und Geschlecht zeigt sich in den Einsatzraten ein signifikanter Trend (p < 0,01). Für die Gesamteinsatzrate steigt das indirekt standardisierte Ratenverhältnis (IRR) von 0,841 (95-%-Konfidenzintervall: [0,808; 0,875]) bei einer Arbeitslosenquote von weniger als 5 % auf 1,212 [1,168; 1,256] bei einer Arbeitslosenquote von 9,5 % und mehr. Auch die Differenzierung in die diagnosespezifischen Einsatzraten erbrachte in den drei Obergruppen (kardiovaskuläre, neurologische, pneumologische Erkrankungen) sowie bei den jeweiligen häufigsten Einzeldiagnosen (akutes Koronarsyndrom/Herz-Kreislauf-Stillstand [n = 1 498], transitorische ischämische Attacke/Insult/intrazerebrale Blutung [n = 1 274], Asthma/chronisch obstruktive Lungenerkrankung [n = 663]) das gleiche Ergebnis. Schlussfolgerung: Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die notärztliche Einsatzrate in sozial benachteiligten Stadtteilen signifikant erhöht ist. Dieses zeigt sich sowohl bei der Gesamtzahl der Notarzteinsätze als auch in der Betrachtung der einzelnen Erkrankungen. Somit wird eine gesamtgesellschaftliche Problematik erkennbar, die bei der Rettungsdienstorganisation konkret berücksichtigt werden sollte.
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