Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2018
Robert Koch-Institut
Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 5.429 Tuberkulosen
registriert, was einer Inzidenz von 6,5
Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner entspricht.
Nach der deutlichen Zunahme im Jahr
2015 und der weitgehend unveränderten Situation
in 2016 sind die Erkrankungszahlen seit 2017 damit
wieder rückläufi g, bleiben aber auf einem vergleichsweise
hohen Niveau.
Die Analyse der demografi schen Daten zeigt,
dass Männer häufi ger an einer Tuberkulose erkranken
als Frauen. Die Inzidenz bei männlichen
Personen war mit 8,9 Erkrankungen pro 100.000
Einwohner etwa doppelt so hoch wie bei weiblichen
Personen (Inzidenz 4,3). Die höchste Inzidenz
wurde bei jungen Erwachsenen in der Altersgruppe
der 20- bis 24-Jährigen registriert (18,4
Erkrankungen pro 100.000 Einwohner; Männer:
24,7; Frauen: 11,3).
Die Analyse nach Staatsangehörigkeit zeigt –
wie schon in den vergangenen Jahren – deutliche
Unterschiede im Erkrankungsrisiko: Bei ausländischen
Staatsangehörigen betrug die Inzidenz 37,3
pro 100.000 Einwohner. Sie war damit fast 18-mal
so hoch wie in der deutschen Bevölkerung (Inzidenz
2,1), wobei dieser Unterschied bei jungen
Erwachsenen besonders groß ausfi el. Insgesamt
30,2 % aller Erkrankten hatten die deutsche Staatsangehörigkeit,
69,8 % eine ausländische Staatsangehörigkeit.
Die ausländischen Staatsangehörigen
erkrankten – wie schon in den vergangenen Jahren
– in deutlich jüngerem Lebensalter (Altersmedian
28 vs. 59 Jahre).
Die Analyse nach Geburtsland ergab, dass der
Anteil im Ausland geborener Patienten – wie in
den vergangenen zwei Jahren – knapp drei Viertel
aller Erkrankten ausmacht. Die beiden 2018 am
häufi gsten angegebenen nicht-deutschen Geburtsländer
waren – wie bereits im Vorjahr – Eritrea und
Somalia.
Tuberkulose im Kindesalter: Es erkrankten
215 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren, entsprechend
einer Inzidenz von 1,9 pro 100.000
Kinder. Gegenüber dem Vorjahr (240 Fälle,
Inzidenz 2,1) wurden 25 Erkrankungsfälle weniger
registriert. Die höchste Inzidenz war mit 2,9 bei
Kleinkindern unter fünf Jahren zu verzeichnen
(113 Erkrankungen). In der Gruppe der 5- bis 9-Jährigen
lag die Inzidenz bei 1,2 (43 Fälle), in der
Gruppe der 10- bis 14-Jährigen bei 1,6 pro 100.000
Kinder (59 Fälle). Kinder mit ausländischer
Staatsangehörigkeit erkrankten im Vergleich zu
deutschen Kindern etwa 14-mal so häufi g an einer
Tuberkulose (Inzidenz 10,6 vs. 0,8). Der Großteil
der erkrankten Kinder hat einen Migrationshintergrund.
Fallfi ndung: Insgesamt 3.928 Erkrankungsfälle
(82,7 %) wurden im Jahr 2018 mittels passiver
Fallfi ndung festgestellt, darunter 13 (0,3 %) im
Rahmen einer postmortalen Untersuchung. 823
Erkrankungen (17,3 %) wurden durch eine aktive
Fallfi ndung entdeckt – insbesondere durch Umgebungsuntersuchungen
(7,5 %; 358 Fälle) und die
gesetzlich vorgeschriebenen Screeninguntersuchungen
bei Asylbewerbern und Flüchtlingen
(7,4 %; 351 Fälle).
Organbeteiligung: Die Lunge war mit einem
Anteil von 72,9 % (3.916 Fälle; Inzidenz 4,7) das
am häufi gsten betroff ene Organ. Mit einer Inzidenz
von 3,9 pro 100.000 Einwohner (3.193 Fälle)
war dabei die infektiöse, off ene Lungentuberkulose
deutlich häufi ger als die geschlossene (723 Fälle;
Inzidenz 0,9). Bei 45,5 % der Lungentuberkulosen
(1.780 Fälle) lag eine mikroskopisch positive Form
vor, bei welcher die Infektiosität am höchsten ist.
Eine ausschließlich extrapulmonale Tuberkulose
wurde in 1.454 Fällen registriert (27,1 %). In gut der
Hälfte dieser Fälle manifestierte sich die Erkrankung
in den Lymphknoten (761 Fälle; 52,3 %).
Resistenzsituation: Der Anteil an Erkrankungen
durch multiresistente Bakterienstämme
(MDR-TB) lag im Jahr 2018 bei 3,1 % (118 Fälle)
und ist damit gegenüber dem Vorjahr (2017: 3,1 %,
122 Fälle) weitgehend unverändert geblieben. Unter
den in den Nachfolgestaaten der ehemaligen
Sowjetunion (NUS) geborenen Patienten war der
Anteil an MDR-TB am höchsten (21,2 % vs. 1,1 %
bei in Deutschland geborenen Patienten). Bei
48,3 % der MDR-TB Fälle mit entsprechenden Angaben
bestanden zusätzlich mehrere Resistenzen
gegenüber Zweitrangmedikamenten, darunter
acht Fälle mit extensiv resistenter Tuberkulose
(XDR-TB). Der Anteil an Erregern, die gegen min-destens eines der fünf Standardmedikamente
resistent war (jegliche Resistenz) betrug 13,0 %
(2017: 12,0 %). Auch hier war unter den in den
NUS geborenen Patienten der Anteil deutlich
höher als bei in Deutschland geborenen Patienten
(35,5 % vs. 9,2 %).
Todesfälle: Der krankheitsbedingte Tod an
einer Tuberkulose wurde in 129 Fällen registriert,
darunter ein 12-jähriges Kind. Dies entspricht einer
Mortalität von 0,2 Todesfällen pro 100.000
Einwohner. Die Letalität lag bei 2,4 % und war damit
geringfügig höher als im Vorjahr (2017: 2,1 %,
114 Todesfälle).
Da das abschließende Behandlungsergebnis
in der Regel erst nach einem Jahr vorliegt, ergibt
sich eine entsprechende Verzögerung der Datenübermittlung.
Von den im Jahr 2017 übermittelten
5.495 Erkrankungsfällen lagen für 4.770 Erkrankungsfälle
(86,8 %) Informationen zum Behandlungsergebnis
vor. Bei 3.829 Erkrankten (80,3 %)
wurde die Therapie erfolgreich beendet. In 539
Fällen (11,3 %) war die Behandlung aus verschiedenen
Gründen nicht erfolgreich. In 182 Fällen
(3,8 %) dauerte die Behandlung noch an und in
220 Fällen (4,6 %) konnte das Behandlungsergebnis
nicht ermittelt werden, da diese Patienten unbekannt
verzogen waren. Die Therapie war je nach
Altersgruppe unterschiedlich erfolgreich. Während
der Behandlungserfolg im Kindesalter und
bei jungen Erwachsenen noch über 85 % lag,
nahm dieser in den höheren Altersgruppen kontinuierlich
ab und erreichte bei Patienten ab 80 Jahren
nur noch einen Anteil von 49,8 %.
Fazit: Nach einem deutlichen Anstieg der Tuberkulosefallzahlen
im Jahr 2015 und nahezu
identischen Fallzahlen im Jahr 2016 ist seit 2017
wieder ein leichter Rückgang zu beobachten.
In Deutschland werden die meisten Tuberkulosen
durch die Abklärung tuberkulosebedingter
Symptome (passive Fallfi ndung) entdeckt. Das gilt
auch für im Ausland geborene Patienten, deren
Erkrankungsrisiko noch Jahre nach Einreise erhöht
ist. Die aktive Fallfi ndung, insbesondere das
Screening von Flüchtlingen und Asylsuchenden
bei Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft, stellt unverändert eine wichtige Maßnahme dar.
Ein weiterer wichtiger Grundpfeiler der Tuberkulosekontrolle
sind Umgebungsuntersuchungen
im Umfeld infektiöser Patienten, damit infi zierte
oder erkrankte Kontaktpersonen frühzeitig erkannt
und behandelt werden können.
Knapp drei Viertel der Patienten sind im Ausland
geboren. Bei den in Deutschland geborenen
Patienten handelt es sich meist um Menschen, die
sich in den Kriegs- oder Nachkriegsjahren infi ziert
haben und im höheren Alter eine Tuberkulose
entwickeln.
Kinder sind eine besonders vulnerable Gruppe
für Tuberkulose. Die Kindertuberkulose ist in
Deutschland zwar ein seltenes, aber oftmals schweres
Krankheitsbild. Daher gilt dieser Gruppe –
auch als Indikator für aktuelle Transmissionsgeschehen
– weiterhin eine erhöhte Aufmerksamkeit.
Die Berücksichtigung der Tuberkulose in der
Diff erentialdiagnose ist daher in jedem Lebensalter
und ungeachtet der Herkunft wichtig.
Komplexe Medikamentenresistenzen, die
zum Teil hohen Inzidenzen in Tuberkulose-Risikogruppen
sowie ein großer Anteil infektiöser
Lungentuberkulosen verdeutlichen, dass Tuberkulose
auch in Deutschland nach wie vor eine Erkrankung
mit großer Public Health-Relevanz ist.
Die Sicherstellung einer frühzeitigen Diagnose
und einer resistenzgerechten, vollständigen
Therapie ist von entscheidender Bedeutung und
erfordert eine koordinierte Zusammenarbeit aller
Beteiligten. Insbesondere multi- und extensiv resistente
Tuberkulosen erfordern ein kompetentes
Fallmanagement durch behandelnde Ärzte und
Gesundheitsämter. Für eine erfolgreiche Tuberkulose
kontrolle werden daher gut ausgebildete
Ärztinnen und Ärzte und ein adäquat ausgestatteter
öff entlicher Gesundheitsdienst benötigt.
Darüber hinaus braucht es eine gut etablierte
Tuberkulose-Surveillance, die anhand der übermittelten
Daten (einschließlich des Behandlungsergebnisses)
aktuelle Entwicklungen im epidemiologischen
Geschehen frühzeitig und im Kontext
ihrer möglichen Einfl ussfaktoren zu erkennen
vermag.
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